Raphael von Hohenstein

Raphael von Hohenstein

Zweite Episode,

Ein historisch inspiriertes Drama von dem schicksalhaften Weg dreier Wesen über das weltliche Geschehen hinaus.

268 Seiten

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ISBN: 978-3-7578-1348-2

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ISBN: 978-3-7583-5679-7

Eine Freundin der Familie

Da saßen wir nun, ich beobachtete Garance ergriffen und stolz auf das, was mich nun erwartete dabei, wie sie sich immer wieder einen nächsten Band nahm. Es dauerte bis sie bemerkte, dass ich ihr schon eine Weile dabei zusah und so fragte sie, „Willst Du gar nicht wissen, was sie alles nieder geschrieben haben“? Ich schwieg, lächelte sie nur an und wartete auf den Augenblick, bis sie mein Schweigen verstehen würde. Meine glänzenden Augen verrieten ihr, dass die Energie die von meinem, sich gerade mir offenbarenden Bewusstsein ausging, bei ihr ausbreitete und uns in eine verklärte Stimmung versetzte. Eine leichte Bewunderung brachte sie mir daraufhin entgegen und die hatte ich bei ihr zuvor noch nicht erlebt, Begeisterung ja, jedoch verstand ich aber auch, dass sie sich sehr wohl ihrer verborgenen Talente bewusst war, sie auch subtil und diskret einsetzte, aber eben nicht in meinem Beisein. Nebenbei löste das dann wiederum eine leichte Bewunderung für sie bei mir aus. Das Wissen um diese Notizen von Elias und Celyn veränderten gerade mein Leben ebenso wie meine Träume und Erinnerungen es taten, so erschien es mir jedenfalls.

Ein neuer Gedanke pflanzte sich sachte und fast unmerklich bei mir ein, zunächst war es nur ein diffuses Gefühl, welches im Hintergrund mitschwang, sich nur bei sehr genauer Betrachtung des Momentes zeigte, doch dieser Gedanke sollte zukünftig alle Begebenheiten verändern. Er war nicht der Erste seiner Art, wenn auch nur in einem Traum erlebt. Die Erinnerungen verblassten nicht mehr, auch nicht die Geschenkten von Akasha, die Emotionalität wurde bei manchen Erinnerungen mit Zunehmenden wieder Erleben intensiver und wieder flüsterte ich im Geiste ein Danke, mit einem Lächeln dabei. Meine Wirklichkeit des ewigen Hier und Jetzt änderte sich leider auch nicht durch die Tatsache, meine verschiedenen Existenzen zu bereisen und so war es auch gegeben, dass sich für mich die Zukunft immer wieder in der Vergangenheit spiegelte. Natürlich wurde dadurch nicht nur meine Dankbarkeit mit der damit verbundenen Gnade, auf die Probe gestellt.


Was jedoch gerade wirklich meine Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, war die Tatsache, dass wir uns in Caspars ehemaligen Herrenhaus befanden. Die Anwesenheit von Celyns Energie, unser gemeinsamer Trip, war für mich zum Greifen nah. Immer wieder sah ich zu der Stelle, wo die Couch stand, auf der sie einst saß. Die derzeitige Ausprägung meiner Persönlichkeit war seit den letzten Wochen um ein Vielfaches gestiegen und facettenreicher, ich war ungewollt für mich selbst zur Herausforderung geworden. In der Kürze der Zeit konnte ich mit Garance, trotz meiner Bemühungen, nicht wirklich ins Detail gehen und war mir nicht sicher, wie weit meine Einblicke in unsere gemeinsame Vergangenheit momentan reichten. Um das herauszufinden, waren wir wohl jetzt hier und möglicherweise auch um herauszufinden, welche Wichtigkeit Patrizia in dem Ganzen noch spielen sollte.


Ich hatte meine Wahl getroffen und lies mein Sein einfach im Raum stehen, nicht nur, um es betrachten zu können. Es ist immer die Schöpfung, die sich selbst erlebt, dachte ich, als ich Garance weiter beim Studieren der Bücher zusah. Das Interesse, mit der ihre Augen die Zeilen durchging, war offensichtlich. Manchmal sah sie beim Umblättern kurz zu mir, um sich zu vergewissern, dass mein Blick noch auf ihr ruhte und, was mich sehr amüsierte, sie zog dabei die linke Augenbraue leicht hoch. Wenn sie Texte von Elias las, spürte ich das und so auch, wenn sie den niedergeschrieben Gedanken von Celyn folgte.

Das meine äußere Erscheinung bindend war, ging mir durch den Kopf, beruhend auf dem materiellen Weltbild welches ich erschuf und auch durch die handgeschrieben Bände, die vor uns lagen, dies war jetzt mehr als deutlich geworden. Sie waren außen unbeschriftet, einfach Schwarz, fortlaufend geschrieben und so wusste man eigentlich nicht, welcher Band welchem folgte.

Dass ich die Reihenfolge natürlich kannte, traute ich mich nicht mal zu denken, und war offenbar von mir selbst dann doch darüber mit einer gewissen Furcht besetzt. Diesen Blick von Garance, wie sie mich ansah, als klar wurde, welchen Bezug ich zu den Niederschriften hatte, kannte ich auch von Sasha. Mit diesem achtete sie darauf, dass ich ihr damals zum Anleger folgte. Sie war möglicherweise ein Avatar von Garance oder stand im geringsten Fall unter ihrem geistigen Einfluss. Mit diesem Gedanken blickte ich Garance erneut in die Augen. Den einen Band hatte sie schon bei Seite gelegt und ich wartete, bis sie meinen Blick erwidern konnte. Ich nahm Sasha ihren Leib damals in Limburg, übergab ihm dem Feuer, das war der Gedanke, das beherrschende Bild, das sich vor wenigen Augenblicken in meinem Geist erneut manifestiert hatte, und Garance, sie lächelte mich gerade heraus an, hieß mich im Kreise ihresgleichen willkommen. Sie war weit mehr als nur eine Freundin der Familie.


Madame Lar Veria betrat den Saal und zog ungewollt unsere Aufmerksamkeit auf sich. Ich holte Luft, um es auszusprechen, doch Garance legte mir den Finger auf den Mund, wandte sich zu Patrizia, um sie erneut zu begrüßen. Sie kam auf uns zu sah mich an, dann Garance und fragte, „Weiß er es, ist er bereit für das was kommen wird“? „Ich denke schon“?, erwiderte sie mit weicher Stimme. „Gut, das ist alles was ich hören wollte“, bestätigte Patrizia, nickte mir zu, begab sich zum Teewagen, goss sich einen Tee ein, ein wenig Milch dazu, lächelte Garance an und verlies uns wieder.

Mein fragender Blick wurde von ihr nicht so erwidert, wie ich es mir gewünscht hätte. In meinen Träumen war sie mir näher als in diesem Moment gerade. Die Spielregeln hatten sich augenblicklich geändert, Patrizia hatte sie geändert, und meine geliebte Garance, lächelte, ich hatte meine Souveränität aufgegeben, die ich wohl nur in meinen Augen gehabt hatte. Ich war ein Vertrauter mit Privilegien und Verpflichtungen, wie mir schien. So wurde ich nur Zeuge dessen, da ich der Anlass dafür war. Wenn ich in Ungnade fallen würde, würde Garance das nicht berühren, ich fühlte mich schon zuvor wie eine Figur auf einem Schachfeld.

„Ich mach es dir ganz einfach“, begann sie, als sie mein Dilemma sah, „diese Bände lagen hier schon, als wir uns wieder begegnetten“, und deutete mit der Hand auf sie. „Du liest sie nicht das erste Mal“?, fragte ich etwas widerwillig nach, doch sie sah mich nur an und zog mich in ihren Bann zurück. Es geschah in voller Absicht, um mir ihren Einfluss nicht nur auf mich zu demonstrieren. Mein Erwachen zu begleiten, wäre eine nette Umschreibung für die Situation gewesen, in der ich mich befand und dem zur Folge auch Garance Erscheinen in meinem Leben. Doch wie in meinen Träumen blieb sie ein Mysterium, meine luziden Erinnerungen daran, waren die Blaupausen dafür, die richtigen Antworten zu finden. Mir waren wohl Qualitäten und Erinnerungen zu eigen, die ich mit Celyn damals nicht notiert und beschrieben hatte, in diesen Bänden, die dort vor uns lagen. Ich wusste mit einmal sehr genau, wo Garance mich hinführen wollte.


Sollten wir wieder einmal dem Untergang geweiht sein, würde sich das Karma-Rad weiter drehen, oder könnten wir uns hier und Heute über unser Schicksal erheben und nicht wieder in der Geschichte der Menschheit verschwinden, wie so unzählige Male zuvor. Eine Handvoll von jenen Existenzen scheinen ja historisch belegt zu sein, wenn man dem glauben schenken möchte. Doch meine Erinnerungen erzählen mir das alles noch auf eine andere Weise. Manchmal werden die empirischen Beweise der Gegenwart in ein verklärtes Bild gehüllt und auch gerne glorifiziert, oder eben als nebensächlich dargestellt und verneint. So wie es gerade der Status quo des Bewusstseins der Allgemeinheit forderte. Fast hätte ich in der Dramaturgie der Situation mal wieder vergessen, dass ich ja hier nur zu Besuch war, ein Gast. Was sind schon einige tausend Jahre im Glauben in die Unsterblichkeit.


„Wollen wir was Essen gehen“, fragte ich Garance mit einem Seufzen, und sie erwiderte nur, „Ist es echt so schlimm“, und sah mich nur kurz mitfühlend an. „Die Frage sollte ich wohl lieber Dir stellen“, wandte ich ihre Frage an sie zurück. „Das wir in einer post-apokalyptischen Zeit leben, sollte man nicht mehr versuchen zu leugnen“, war ihre Antwort. „Seinen freien Willen wirklich zu erfassen kann ja auch schon sehr herausfordernd sein“, erklärte ich mich. „Und die Tragweite deiner Handlungen zu verstehen auch“, ergänzte sie und lachte mich an. „Es ist an der Zeit sich über die Begebenheiten zu erheben um eine Veränderung herbeiführen zu können, behaupten immer die die denken frei zu sein“, war mein spontaner Gedanke dazu. Garance betrachtete mich mit ihrer zweiten Aufmerksamkeit und auch diesen Blick kannte ich nicht nur von ihr. Doch was ich auch sah, war, die Ähnlichkeit die Geschwister von verschiedenen Müttern oder Vätern in sich tragen, Wesenszüge der weiblichen oder männlichen Seite in ihnen. Ihr galt auch meine Leidenschaft für Garance und eben auch für Akasha. Und wieder legte Garance mir ihren Finger auf den Mund, damit ich es nicht aussprach, was sie in meinen Augen las und diese ausstrahlten. Was es auch gerade war, das mein Bewusstsein hervorbrachte, es war ein Teil von mir. Mein Geist offenbarte sich, eine Erinnerung daran begleitete dieses Erlebnis, welches begann, als ich Garance traf, ob erneut oder nicht spielte keine Rolle mehr. Vor ein paar Stunden wäre das noch für mich ein absurder Gedanke gewesen.


Mister Spenalzo

„Wir sollten dankbar sein dafür, dass uns ein Funke von Göttlichkeit innewohnt, oder etwa nicht“?, fragte mich Garance allen Ernstes, als wir neben einer kleinen Baumreihe aus dem Taxi stiegen. Dahinter an einem Zebrastreifen lag ein uraltes zweistöckiges Backsteinhaus mit großen Torbögen, in die Fenster eingemauert waren. Man erwarte uns schon und so wurden Garance und ich in dem Restaurant auf Empfehlung von Patrizia dann auch empfangen. Madame Lar Veria saß an einem der zentralen Tische von einem verheißungsvollen Franzosen. „Da wären wir nun endlich“, begrüßte Patrizia uns. Wie sollte es auch anders sein, hatte sie den ganzen Abend, das Restaurant nur für uns drei reserviert, mit einem diskreten Kellner und dem Chef, der uns persönlich bekochte. „Warum hier und nicht im Herrenhaus, fragst Du Dich vielleicht“?, fragte sie mich, als wir uns setzten, und sah mich sehr charmant an. Sie erwartete wirklich eine Antwort, es war keine rhetorische Frage, wie ich dachte. Ich räusperte mich, als ob es jetzt an der Zeit wäre meinen Spruch auf zu sagen, „Mein erstes Erlebnis im Essex steht nicht in den Büchern“. „Und schon garnicht die Existenz von Narziss und Enkil Belladona“, beendete Patrizia meinen Satz. Interessanter weise viel mir gerade auf, das es sich mit der Existenz von Akasha genau so verhielt. Und ich fragte mich, obwohl Garance mich im Traum zu ihr schickte, ob sie von Akasha wussten. Wenn nicht, würde ich das vorerst auch nicht ändern. Die Anwesenheit Patrizias und Garance hier mir gegenüber, machten das mehr als deutlich. Liebestrunken erwachte ich gerade zum zweiten Mal an diesem Tag aus meinem Dornröschenschlaf. Wie weit reichten ihre Erinnerungen wirklich zurück, hatten Celyn und Garance mich schon damals benutzt, mir wurde ganz heiß, ich fing an zu schwitzen, mein Blick verschwamm, Furcht ergriff mich und schnürte mir die Kehle zu. Ich sah die beiden nur noch schemenhaft, ihre Stimmen klangen nebulös. Sie lachten und es schmerzte mir in den Ohren. Es war verrückt, so hatte ich meinen Körper schon einmal gefühlt. Erneut sah ich, wie Schatten anfingen um uns herum zu tanzen, dieses Mal blieb ich aber sitzen und rannte nicht nach draußen auf die Straße in den Verkehr, wie damals in New York. Die Magie zweier Hexen wirkte gerade auf mich ein. Nach einigen Augenblicken verflüchtigte sich dieser Zustand wieder und es war klar, dass meine beiden Gastgeberinnen wieder von mir abließen. Patrizia hatte diesen Ort gewählt, da dieses Stadthaus mehrere hundert Jahre alt war, und die spürte auch ich in diesen Gemäuern. Ich studierte Patrizia sehr genau und sie ließ mich gewähren, auch um mich daran zu erinnern, dass wir nicht vom selben Stern waren. Doch zurzeit würde man eher Hohn und Spot ernten, für so eine Offenbarung in der materiellen Welt. Es schien ihr wichtig zu sein, sich mir zu öffnen, mir ihr Wahres ich zu zeigen, mich gefunden zu haben, dank der Aufzeichnungen von Celyn und Elias. Und doch blieb sie souverän und mit einer gewissen Distanz zu dieser Tatsache.


Zusammen hatten Garance und ich schon ganze Imperien gelenkt, doch ein Bündnis zwischen zwei interdimensionalen Familien währte länger als die kurze Regentschaft damals im Pharaonenzeitalter. All das war gerade präsent und zeichnete sich in der Situation erneut sehr deutlich bei mir ab. „Wir sind nicht die Meister von Gaia, wir sind nur die, die gegenwärtig geistig auf nicht nur dieser Ebene unterwegs sind, einen langen Schatten werfen und die Spitze der Pyramide darstellen“, kommentierte Patrizia die Situation. „Celyn hatte mit ihrer Stiftung einen wichtigen Schritt getan, über sie konnten die beiden weitere Veränderungen in der Familie einleiten“, erinnerte sie mich, „doch es gibt Kräfte, die andere Ziele verfolgen und diese über parallele Ebenen einfließen lassen“, fügte sie noch hinzu. Ich sah Garance an, um zu sehen, wie sie darauf reagierte, doch ihr Blick war warmherzig und gütig und sie säuselte schon fast, „Und da kommst nun Du wieder ins Spiel“. Sie lächelte und sagte dann, „wir brauchen dein Talent, Deine speziellen Fähigkeiten und die sich daraus ergebenen Möglichkeiten“. „Euch ist aber schon klar, das nur durch einen frequenzierten Dimensionsübergang wir uns über die anderen Kräfte erheben und ihnen ihre Macht und die Kontrolle über unser Bewusstsein entziehen können“, sagte ich mehr automatisch, als willentlich formuliert. Patrizia und Garance waren sichtlich erfreut dies von mir zu hören. Garance wandte sich zu Patrizia und sagte leicht erregt, „Es wird Zeit für Mister Spenalzo“. „Mister Spenalzo“?, fragte ich nach. Patrizias Blick wanderte von Garance wieder zu mir zurück und sie erklärte, „Ein Mann mit speziellem Wissen und Besonderheiten, so wie du Raphael von Hohenstein“. „Du bist ihm schon begegnet, bei Deinem Besuch in der Oper“, eröffnete mir Garance und jetzt sahen sie mich beide an. Ich lächelte, erhob mich bedächtig und sagte, „Ihr entschuldigt mich kurz“, ignorierte die fragenden Blicke wandte mich um und ging zügig zum Ausgang. Draußen angekommen blieb ich erst einmal stehen und atmete tief ein und wieder aus, mit jedem Ausatmen ließ ich mehr von dem los, was vor ein paar Monaten noch mein Weltbild prägte und meine Persönlichkeit ausmachte. All diese Selbstverständlichkeiten von Garance und Patrizia, die sie mir seit unserem Wiedersehen vermittelt hatten, wollten überdacht werden. Ein Spaziergang war jetzt in diesem Augenblick existenziell entscheidend für alles Weitere und so wanderte ich kurzerhand entschlossen die Straße entlang, ließ auch diesen Moment hinter mir, streifte durch Straßburg, auf der Suche nach einer Idee für meine mögliche Zukunft, denn wieder ein Mal wurde ich durch die Erwartungen dritter auf mich selbst zurückgeworfen.


Auf eine bestimmte Art und Weise

Die Straßenlaternen gaben ihr gelbliches Licht wider, es musste mittlerweile weit nach Mitternacht sein. Ein großes Gebäude im viktorianischen Stil lud mich in seinen Innenhof ein. Die barbusige Schönheit aus Bronze hielt eine Schale empor, aus der Wasser in das Becken eines Brunnens floss, der sich zu ihren Füßen befand. Eine Bar dort, veranlasste mich, mich an einen ihrer Tische zu setzen. Leichter Down-Beat, das leise Gerede und Gelache der Gäste gaben dem Ganzen mit dem Plätschern des Brunnens zusammen eine friedliche Stimmung. Ich war so dankbar und erleichtert hier einen Ort gefunden zu haben, um erschreckenderweise mein ganzes Dasein völlig neu zu überdenken.


Am Nachbartisch saßen zwei sehr edel und anmutig wirkende Ladys, die mein Ankommen genau verfolgt hatten, sich jedoch sofort wieder einander widmeten, als ich sie bemerkte. Nicht der edle Anzug den ich trug, er war ein Geschenk von Garance, sondern meine Ausstrahlung fing immer wieder die Aufmerksamkeit eine der beiden ein. Ihr leichtes Lächeln beim Reden mit ihrer Begleiterin verriet mir, das es ihr gefiel, dass mein Blick sie immer wieder fand. Für mich war es eine willkommene Entspannung ihre Koketterie zu genießen. „Ich möchte sie ja nur ungern stören, aber haben sie einen Wunsch“, fragte mich die Kellnerin von der Seite und ich musste mich aus der Sogwirkung der einen Lady kurz lösen, sah zur Bedienung und sagte fast beiläufig, „Einen Martini, trocken, danke“, lächelte sie kurz an und beobachtete weiter den Nachbartisch. Es folgte noch ein zweiter Martini, mit dem ich der einen Lady zuprostete, ihr direkt in die Augen sah und auf eine Reaktion ihrerseits wartete. Sie jedoch sah ihre Begleitung an, die dann prompt aufstand und auf mich zukam. „Wir gehen später noch in einen privaten Club und fragten uns, ob Sie uns vielleicht begleiten würden“, meinte sie mit einem verheißungsvollen Schmunzeln. Ohne sie zu mustern, antwortete ich, „Ja warum nicht, gerne“. So wie es aussah, würde ich ein Resümee über meinen gegenwärtigen Status dann wohl zu einem anderen Zeitpunkt fortsetzen und folgte ihr zu ihrem Tisch. „Wie komme ich zu der Ehre“, war zunächst meine erste Reaktion und wurde nur mit verheißungsvollen Blicken empfangen. „Unsere Reise durch die Nacht wird Dir gefallen“, verkündete sie und forderte mich auf die Rechnung zu begleichen. Ihre Gespielin, die mich zu dieser Reise eingeladen hatte, war noch nicht so überzeugt davon, so zog meine Lady sie zu sich und begann sie mit ihren Lippen zu liebkosen. „Die Limousine wartet“, sagte sie und riss sich los von ihr, nahm jedoch ihre Hand, zog sie aus ihrem Stuhl, sie küssten sich und beide schlenderten Arm in Arm davon. „Nah komm mein Prinz“, forderte sie mich auf und wedelte mit der Hand in der Luft. Ich folgte ihnen durch einen Torbogen auf die Straße zur besagten Limousine, an deren Seite, der Chauffeur lehnte, und eine Zigarette rauchte. Er ließ sie in den Rinnstein fallen, eilte zur Hintertür und öffnete sie, als er uns kommen sah.


Das Offensichtliche, dessen Zeuge ich wurde, begann dann also auf der Rückbank einer Limousine. Diese beiden Ladys verführten nicht mich, sondern sich und ich war nur auf meine wandernden Augen reduziert, die es bekunden durften. Mein Logenplatz war nicht verhandelbar und die Eifersucht ergriff mich, so wie sie die Leidenschaft zwischen sich entfachten. Ein stummer Beobachter der erlebte, dass die Ekstase zweier weiblicher Geschöpfe für einen Mann so nie erreichbar war. Ich beneidete sie für ihr Geschlecht, ihre Körperlichkeit, ihre makellose Schönheit und egal welche der beiden ich auch hätte sein können, wäre ich missgünstig meiner Gespielin gegenüber nicht sie sein zu können. Es erinnerte mich an den Moment, als ich erlebte, dass Garance nur eine Erscheinung meiner eigenen Weiblichkeit war, nicht hier in dieser Realität, wie ich sie ja jetzt bezeichnen musste, um sie von meinen anderen Existenzen trennen zu können, doch zuzeiten Celyns und Beatrice schon. Obwohl Garance geistige Präsenz sehr stark war, gab es noch eine andere Kraft, die mich anzog, und sie sollte mein Geheimnis bleiben, ein Trumpf für eine für mich vielleicht ja ausweglose Situation, die sich seit dem französischen Abendessen offenbart hatte. Je länger ich dem Sex als Provokationsspiel weiter zusah, um so stärker wurde ein Gefühl, es unterbinden zu wollen, doch meine Reaktion löste bei den beiden erst ihren gewünschten Effekt aus.


Irgendwo weit außerhalb von Straßburg öffnete sich die Tür der Limousine wieder, ich sprang fast nach draußen, unter meinen Schuhen knirschte der Kies, stand an der Treppe zu einem richtigen Schloss. Am Horizont leuchteten die Lichter der Stadt. Die beiden Ladys ergriffen mich je an einen Arm, nahmen mich in ihre Mitte und eine von ihnen flüsterte, „Das Passwort ist Narziss Belladona“. Es traf mich wie der Blitz, ich jedoch atmete ruhig weiter und lächelte sie nur an. Ein Diener, in entsprechender Garderobe, begrüßte uns an der Tür und sah mich erwartungsvoll an. In dem Moment, als meine Lippen sich formten, um das Passwort auszusprechen, fror der Moment ein und ich fühlte mich wie zwischen zwei Realitäten gefangen, der Vergangenen und der Zukünftigen. Alles wirkte leicht überstrahlt und ich sah, welchen Effekt Garance ausgelöst hatte, als sie in mein Leben trat. Mit ihr kam die Leichtigkeit, sie war mein Garant für eine erfolgreiche Selbstverwirklichung. Es war zu schön, um wahr zu sein, nicht in der Welt zu sein, in der dich die Polarität verschlingt. Alles von dem, was du bist, was du willst und dem was du vermagst zu sein, und wenn auch nur ein Avatar für jedes Wesen, welchem du nicht gewachsen bist, mit Möglichkeiten die deine Vorstellungskraft überstiegen. „Narziss Belladona“, sagte mein Selbst, mein Geist, meine Lebenszeit, welche ich hier schon verbracht hatte, Jahrtausende in den ich so sehr fasziniert war von der Selbstvergessenheit und so verließ ich diesen Moment wieder.


Es war der Zugang zu einem der Seitenflügel des Gebäudes und so standen wir beim Eintreten gleich in einem großen Saal, mit vergoldetem Stuck an den Wänden, Kristal-Kronleuchtern an der Decke und einem zweifarbigen Teakholz-Pakettboden, dessen Rauten sich spiralförmig zu ihrem Mittelpunkt hin verjüngten, wo sich ein Rokokotisch auf einem riesigen massiven Fuß befand, er war höchstwahrscheinlich ein Original so wie die gesamte Einrichtung um uns herum. Auf ihm rekelten sich drei knabenhaft wirkende Mädchen, andere Damen standen dabei und genossen es, sie bei ihrem erotischen Spiel zu beobachten. Manche von ihnen waren bekleidet, andere nicht. Wenn jedoch, immer sehr edel im Smoking und Anzug, oder in Cocktailkleidern von schlicht bis elegant. Die Flügeltüren zu den nächsten Räumen und Fluren, die mit Sicherheit zu weiteren Frivolitäten führten, standen alle weit offen. Meine Ladys und ich schlenderten weiter, immer weiter in dieser Orgie, in der es wohl keine Szenerie gab, die wir nicht erblickten. Ich war wohl ihr Maskottchen und das einzige männliche Wesen hier. So ganz hatte ich es noch nicht ergründet. Wir kamen an zwei mächtige Flügeltüren, die geschlossen waren und von sehr maskulinen Wächterinnen verstellt wurden. Sie musterten uns kurz, eine der beiden klopfte dann an die eine der Türen, die sich sogleich einen Spalt öffnete und flüsterte hinter vorgehaltener Hand etwas hindurch. Die Tür schloss sich und die Wächterin baute sich mit verschränkten Armen wieder vor uns auf. Als sie sich dann gleichzeitig öffneten, gaben sie den Weg frei und meine Ladys führten mich hinein. Es war nur ein Vorzimmer, in dem wir abgetastet wurden und alles, was wir bei uns trugen, in eine große Schale legen mussten. Es ging eine lange Treppe hinauf, sie endete an der Stirnseite eines der Giebel dieses Schlosses. Die Innenseite des Giebels, welche zum Innenhof zeigte, war voll verglast, so wie die anderen umlaufenden Giebel auch.


Sie bildeten ein „U“. Auf der gegenüberliegenden Seite sah ich durch die Verglasung hindurch auf einer Empore eine großzügige Sitzgruppe von Sesseln und Sofas. Als wir darauf zu gingen, verstärkte sich stetig ein Gefühl in mir, welches mir alt bekannt war. Es trat immer auf, kurz bevor ich eine außerkörperliche Erfahrung machte. Jedoch verließ ich ihn nicht und verstand auch augenblicklich den Grund dafür, eine sehr alte Vertraute saß vor mir und es lief mir heiß den Rücken hinunter. Narziss Belladonas Blick zog mich in ihren Fokus und sie wusste sehr genau, wer vor ihr stand. „Mein geliebter Raphael, es ist so schön Dich endlich wiederzusehen, ich habe sehr lange auf diesen Moment gewartet“, sagte sie und ich hörte den Unterton Akashas in ihrer Stimme heraus. „Mit Sicherheit“, erwiderte ich, lächelte sie an und sagte, „ein halbes Jahrtausend ist schon eine Weile“.

Narziss streckte die Hände aus und meine beiden Ladys ergriffen sie und sie zog sie an ihre Seite. „Das sind Dijoniah mein Engel der Lebensfreude und Lauviah meine Gelobte und Erhabene“, stellte sie sie mir vor, Dijoniah war diejenige, die es mit ihrer Art und Weise geschafft hatte mich herzuführen, um dem Wunsch von Narziss zu entsprechen. Sie schmiegten sich an sie und sahen mich sehr eindringlich an, auch um mir zu zeigen, was ihnen Narziss bedeutete, sie war ihre Hohepriesterin. Mit einem Augenzwinkern berührten sie mal eben mein Innerstes, jeden anderen hätte es wahrscheinlich augenblicklich zerschmelzen lassen, doch der Himmel, die geistige Welt waren mir wohlgesonnen. Indes ihre Absicht, der Grund meines Besuches hier, blieb mir noch verborgen.

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